FAQs zum Umgang mit der Coronavirus-Pandemie im Arbeitsrecht


March.25.2020

English: COVID-19 Update: FAQs on Employment-related Aspects of the Coronavirus Pandemic for Employers in Germany

Die Folgen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (Sars-CoV-2) haben den deutschen Arbeitsmarkt erreicht. Viele Unternehmen werden täglich mit neuen komplexen Rechtsfragen zum Umgang mit dem Coronavirus im Arbeitsverhältnis konfrontiert.

Hier eine Übersicht der häufigsten Fragen und Antworten.

  1. Welche Schutzpflichten müssen Arbeitgeber im Hinblick auf das Coronavirus beachten?

    • Arbeitgeber haben gegenüber ihren Mitarbeitern Schutzpflichten. Sie sind verpflichtet, Gesundheitsgefahren für Mitarbeiter am Arbeitsplatz abzuwehren und sie aktiv vor Gefahren für Leib und Leben zu schützen.
    • Im Hinblick auf den aktuellen Ausbruch des Coronavirus ist es ratsam, strenge Hygienevorschriften gemäß den Empfehlungen des Gesundheitsministeriums und des Robert-Koch-Instituts im Unternehmen einzuführen, die Mitarbeiter über die Risiken und Gefahren zu informieren, sie anzuweisen, Symptome und positive Diagnosen unverzüglich zu melden und je nach Branche und Betroffenheit weitere erhöhte Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln zu implementieren – z.B. die Anweisung der Mitarbeiter zum Tragen einer Schutzmaske oder die Bereitstellung von Schutzausrüstung.
    • Die Kosten für solche Maßnahmen sind vom Arbeitgeber zu tragen.
       
  2. Wie sollten Arbeitgeber bei Auftreten einer COVID-19 Erkrankung im Betrieb oder einem konkreten Verdacht reagieren?

    • Bei einem konkreten Verdachtsfall oder gar bei Bekanntwerden einer Erkrankung mit COVID-19 bei einem oder mehreren Mitarbeitern im Betrieb bestehen gesteigerte Schutzpflichten. Der Arbeitgeber hat die Belegschaft über den Fall zu informieren und sollte schnellstmöglich alle Kontaktpersonen ermitteln. Die örtliche Gesundheitsbehörde sollte kontaktiert werden, die das weitere Vorgehen mit dem Arbeitgeber besprechen wird.
    • In jedem Fall sollten die betroffenen Mitarbeiter in Quarantäne geschickt werden. Sofern möglich, sollte die Weiterarbeit aus dem Home-Office vereinbart werden. Ist die Arbeit aus dem Home-Office nicht möglich, so müssen betroffene Mitarbeiter unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt werden, um das Risiko einer Ansteckung weiterer Mitarbeiter so gering wie möglich zu halten.
       
  3. Wer zahlt das Gehalt, wenn ein Mitarbeiter aufgrund behördlicher Anordnung in Quarantäne geschickt wird und nicht weiterarbeiten kann?

    • Sofern ein Mitarbeiter als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern (wozu auch das Coronavirus zählt) einem beruflichen Tätigkeitsverbot unterliegt oder unter Quarantäne steht, hat er Anspruch auf eine Entschädigung für seinen Verdienstausfall nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Der Arbeitgeber hat zunächst das Gehalt für die Dauer von bis zu sechs Wochen an den Mitarbeiter weiter auszuzahlen und kann dann bei der zuständigen Gesundheitsbehörde einen Erstattungsantrag stellen.
    • Der Erstattungsanspruch kann allerdings entfallen, solange der Mitarbeiter einen Entgeltfortzahlungsanspruch auf anderer Grundlage hat. Sollte der Mitarbeiter, der unter Quarantäne steht, an COVID-19 erkrankt sein, so hat er einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer der Erkrankung. Das Verhältnis des Erstattungsanspruchs nach dem IfSG zum Entgeltfortzahlungsanspruch ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Da § 56 IfSG voraussetzt, dass der Mitarbeiter einen Verdienstausfall erleiden muss, um anspruchsberechtigt zu sein, dürfte ein Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung für Zeiten der Entgeltfortzahlung nicht bestehen.
       
  4. Dürfen Mitarbeiter ihre Arbeitsleistung verweigern, weil sie sich vor einer Ansteckung am Arbeitsplatz fürchten?

    • Eine Verweigerung der Arbeitsleistung ist grundsätzlich nicht möglich. Die Angst vor einer Infektion am Arbeitsplatz oder auf dem Weg zur Arbeit berechtigt grundsätzlich nicht dazu, zu Hause zu bleiben. Erscheint der Mitarbeiter nicht zur Arbeit, kann der Arbeitgeber ihn abmahnen und schließlich im Einzelfall das Arbeitsverhältnis kündigen.
    • Von diesem Grundsatz gilt jedoch eine Ausnahme: Wenn die Arbeitsleistung für den Mitarbeiter unzumutbar wäre, so dürfte er diese verweigern. Ein solcher Fall wäre denkbar, wenn Verdachtsfälle im Unternehmen auftreten oder nachgewiesene Infektionen bestehen und der Arbeitgeber seinen daraus resultierenden gesteigerten Schutzpflichten nicht in angemessener Weise nachkommt.
       
  5. Darf der Arbeitgeber Arbeit aus dem Home-Office anordnen?

    • Eine einseitige Anordnung von Home-Office aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers ist nicht möglich, sofern nicht der Arbeitsvertrag bereits diese Möglichkeit vorsieht. Vielmehr ist die Zustimmung des Mitarbeiters bzw. eine einvernehmliche Vereinbarung erforderlich.
    • Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber die Home-Office Ausstattung bereitzustellen hat. Kommt keine Vereinbarung zustande und weigert sich der Mitarbeiter im Home-Office tätig zu werden, so kommt nur eine bezahlte Freistellung in Betracht.
    • Darüber hinaus könnte eine einseitige Anordnung von Home-Office ausnahmsweise im Einzelfall aufgrund einer konkreten Ansteckungsgefahr zulässig sein, das ist allerdings höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. Ein solcher Fall könnte etwa dann vorliegen, wenn im engeren Umkreis eines Mitarbeiters eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt wurde.
       
  6. Kann der Arbeitgeber Überstunden bei einem erhöhten krankheitsbedingten Mitarbeiterausfall anordnen?

    • Wenn infolge des Coronavirus ein erheblicher Teil der Belegschaft krankheitsbedingt ausfallen sollte, sind Mehrarbeit und Überstunden für die übrigen Mitarbeiter denkbar. In Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber die Mitarbeiter zu Überstunden verpflichten mit der Folge, dass die zulässige Höchstarbeitszeit nach § 14 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) überschritten wird. Ein Ausnahmefall könnte sein, dass eine Unterbesetzung zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen für den Arbeitgeber führt. Das ist im Einzelfall zu prüfen.
    • Auch Regelungen über eine Urlaubssperre wegen erhöhten Arbeitsanfalls durch einen krankheitsbedingten Ausfall eines Großteils der Mitarbeiter sind möglich.
       
  7. Was passiert, wenn Mitarbeiter aufgrund von Schul- und Kitaschließungen ihre aufsichtspflichtigen Kinder betreuen und nicht arbeiten können?

    • Für Mitarbeiter mit Kindern unter 12 Jahren gilt grundsätzlich, dass sie ohne Gehaltseinbußen nur für einen kurzen Zeitraum von der Arbeit fernbleiben können, wenn es keine anderweitige Betreuungsmöglichkeit gibt. Nach § 616 BGB haben Mitarbeiter grundsätzlich Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung, wenn sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert sind. Voraussetzung ist aber, dass sie ihre Kinder nicht anderweitig betreuen können (z.B. durch Partner, Familie), wobei eine Betreuung durch die Großeltern in der vorliegenden Situation regelmäßig ausscheiden dürfte, da ältere Menschen bei einer COVID-19 Erkrankung besonders gefährdet sind.
    • Der Arbeitsvertrag kann vorsehen, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall keine Vergütung zahlen muss. Das sollte geprüft werden.
    • Die Pflicht zur Fortzahlung der Vergütung gilt nur für eine kurze Zeit. Wie lang dieser Zeitraum ist, ist von den Gerichten nicht abschließend geklärt, er dürfte aber nach überwiegender Auffassung nicht länger als rund fünf Tage betragen. Für den anschließenden Zeitraum sollte mit den betroffenen Mitarbeitern gemeinsam eine Lösung gesucht werden, etwa eine Reduzierung der Arbeitszeit (ggf. unter Nutzung von Kurzarbeitergeld), Abbau von Resturlaub, Überstunden und Guthaben auf Arbeitszeitkonten. Wenn Mitarbeiter nicht dazu bereit sind, Urlaub zu nehmen, kommt ggf. eine einseitige Anordnung von Urlaub in Betracht oder eine unbezahlte Freistellung.
    • Für den Fall, dass berufstätige Eltern infolge der pandemiebedingten Schließung von Kindergarten, Kindertagesstätte und/oder Schule ihrer Arbeitspflicht nicht nachkommen können, kommt für die Zeit vom 30. März bis 31. Dezember 2020 ein neu geschaffener Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1a IfSchG in Betracht. Einzelheiten zu diesem Anspruch erläutern wir hier.
       
  8. Können Mitarbeiter noch verpflichtet werden Dienstreisen anzutreten?

    • Grundsätzlich kann der Mitarbeiter Dienstreisen nicht aufgrund des Coronavirus-Ausbruchs ablehnen. Allerdings hat der Arbeitgeber auch bei der Anordnung von Dienstreisen seine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern zu beachten.
    • Es sollten stets die betrieblichen Interessen gegen die Interessen des Mitarbeiters im Einzelfall abgewogen werden. Ohnehin ist die Anordnung von Dienstreisen in das Ausland aufgrund der Einreisebeschränkungen vieler Staaten derzeit nicht mehr möglich. Arbeitgeber sollten jedenfalls aktuelle Reisewarnungen des Auswärtigen Amts beachten.
    • Zusätzlich kann auch die individuelle Situation des Mitarbeiters eine große Rolle bei der Abwägung spielen. So sollten zum Beispiel ältere Mitarbeiter und Mitarbeiter mit Vorerkrankungen grundsätzlich nicht zu Dienstreisen verpflichtet werden, da für diese ohnehin die Empfehlung gilt, sich in häusliche Isolation zu begeben. Diese Mitarbeiter dürfen daher auch Dienstreisen ablehnen.
       
  9. Kann der Arbeitgeber bei erhöhtem Arbeitsausfall Urlaub anordnen?

    • Es empfiehlt sich primär eine einvernehmliche Regelung mit dem Mitarbeiter zu finden.
    • Die aktuelle Situation könnte aber auch die einseitige Anordnung von Urlaub oder Betriebsferien aufgrund dringlicher betrieblicher Gründe rechtfertigen, etwa wenn der Betrieb oder einzelne Abteilungen vorübergehend geschlossen werden müssen. Bereits genehmigter Urlaub kann allerdings nicht mehr einseitig zurückgenommen werden.
    • Da es hierzu keine genauen Regelungen gibt, sollten einseitige Maßnahmen nur nach gründlicher Abwägung der betrieblichen Interessen mit den Belangen des Mitarbeiters erfolgen. Die Vorgehensweise sollte dann sein, zunächst etwaigen Resturlaub aus 2019 zu gewähren und nur eine gewisse Zahl an Urlaubstagen für 2020. Die einseitige Anordnung von Urlaub sollte jedenfalls nicht den gesamten Urlaubsanspruch für 2020 erfassen.
    • Bei dringenden betrieblichen Gründen ist der Arbeitgeber regelmäßig berechtigt, den Abbau von Arbeitszeitguthaben durch Freizeitausgleich anzuordnen.
    • Sofern ein Betriebsrat besteht, muss dieser bei den vorgenannten Maßnahmen beteiligt werden.
       
  10. Können Arbeitgeber bei Arbeitsausfällen Kurzarbeit anordnen?

    • Eine einseitige Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht möglich. Vielmehr muss sie auf der Grundlage eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder, falls kein Betriebsrat vorhanden ist, einer Vereinbarung mit dem Mitarbeiter erfolgen, etwa im Arbeitsvertrag oder in einer Zusatzvereinbarung.
    • Der Bundestag hat die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld in Krisenzeiten durch das "Gesetz zur vorübergehenden krisenbedingten Verbesserung der Regelungen zum Kurzarbeitergeld" vom 13. März 2020 erleichtert und die Bundesregierung ermächtigt, für den Fall außergewöhnlicher Verhältnisse die Erleichterungen durch Rechtsverordnung umzusetzen.
    • Für den Bezug von Kurzarbeitergeld gilt nunmehr, dass mehr als 10 % der im Betrieb oder der Abteilung beschäftigten Mitarbeiter von einem Lohnausfall von mehr als 10 % ihres Gehalts im jeweiligen Kalendermonat betroffen sein müssen. Vor der Gesetzesänderung lag das Quorum bei einem Drittel der Mitarbeiter. Einzelheiten zu den Voraussetzungen für den Zugang zu Kurzarbeitergeld und zum Antragsverfahren erklären wir hier.
       
  11. Welche Besonderheiten gelten für Unternehmen mit Betriebsrat?

    • Bei der Umsetzung vieler Maßnahmen, die auf den Schutz vor dem Coronavirus gerichtet sind oder Veränderungen der Ordnung und des Verhaltens im Betrieb oder der betriebsüblichen Arbeitszeit betreffen, sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten, so etwa bei der Einführung von besonderen Hygienevorschriften, Anordnung von Mehrarbeit und Kurzarbeit. Hier sollten Unternehmensführung und Betriebsrat in guter Zusammenarbeit gemeinsam an einer schnellen Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen arbeiten.
    • Daneben besteht die Möglichkeit, in einer Pandemie-Betriebsvereinbarung sämtliche Maßnahmen zu regeln, die im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie getroffen werden sollen und so bereits weitere Handlungsspielräume zu schaffen. Neben Regelungen zur Vermeidung von Ansteckungsgefahr kann eine solche Betriebsvereinbarung Bestimmungen über Home-Office, Überstunden bzw. Freizeitausgleich, Urlaub, Betriebsferien und eine vorübergehende Betriebsschließung enthalten.