6 minute read | May.24.2023
Mit fast eineinhalb Jahren Verspätung hat der deutsche Gesetzgeber die sog. Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) in deutsches Recht umgesetzt: Mitte Dezember hatte der Bundestag das Hinweisgeberschutzgesetz ("HinSchG") in der vom Rechtssauschuss vorgeschlagenen Fassung beschlossen. Der Bundesrat hatte dem Gesetz im Februar 2023 jedoch nicht zugestimmt. Am 12. Mai 2023 hat der Bundesrat dem Gesetz nun zugestimmt, nachdem der Gesetzesentwurf im Vermittlungsausschuss geändert worden ist. Das Gesetz tritt voraussichtlich Mitte Juni 2023 in Kraft.
Unternehmen müssen jetzt zeitnah die Einführung von Hinweisgebersystemen prüfen. Andernfalls können hohe Geldbußen drohen.
Im deutschen Arbeitsrecht gab es bislang keinen besonderen Schutz für Whistleblower oder Regelungen dazu, wie Unternehmen mit anonymen Hinweisen zu Gesetzesverstößen umgehen müssen. Es galt nur das allgemeine Maßregelungsverbot: Der Arbeitgeber durfte einen Arbeitnehmer nicht durch eine Vereinbarung oder Maßnahme benachteiligen, wenn dieser seine Rechte in zulässiger Weise wahrnimmt. Hierunter fallen auch Hinweise auf Gesetzesverstöße. Meldungen von Arbeitnehmern an die Presse oder an Behörden über (vermeintliche) Verstöße und Missstände beim Arbeitgeber konnten allerdings auch zu Kündigungen führen.
Durch die Richtlinie und die Umsetzung im HinSchG sollen nun hinweisgebende Personen, die Rechts- und Regelverstöße melden, besser geschützt werden. Das soll durch interne Meldestellen in den Unternehmen und externe Meldestellen bei Dritten sowie der Zurverfügungstellung entsprechender Meldewege gewährleistet werden. Allerdings sollen die hinweisgebenden Personen zunächst die internen Meldestellen bevorzugen, sofern ein Fall vorliegt, in welchem intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann.
Neben diesen Meldestellen wird es auch Anlaufstellen beim Bundesamt für Justiz, bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und beim Bundeskartellamt geben.
Der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG geht über die Richtlinie hinaus. Während die Richtlinie nur Verstöße in bestimmten europäischen Rechts- und Politikbereichen erfasst, geht der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG darüber hinaus und erfasst sämtliche straf- und bußgeldbewehrten Gesetzesverstöße.
Beispielhaft sind Meldungen über folgende Verstöße erfasst:
Das HinSchG nimmt allerdings auch bestimmte Meldungen vom Anwendungsbereich aus, die beispielsweise Informationen erfassen, die die nationale Sicherheit oder wesentliche Sicherheitsinteressen des Staates betreffen.
Hinweisgeber sind alle natürlichen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach dem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen.
Als hinweisgebende Personen werden daher u.a. Arbeitnehmer, Anteilseigner, Mitarbeiter von Lieferanten und Personen, die bereits vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses Kenntnis von Verstößen erlangt haben, verstanden. Dieser weite Anwendungsbereich entspricht den Vorgaben der Richtlinie.
Der Hinweisgeber ist nur geschützt, wenn er bei der Meldung hinreichend Grund zu der Annahme hatte, dass ein Verstoß vorliegt und der gemeldete Verstoß in den Anwendungsbereich des HinSchG fällt. Solange die Meldung in gutem Glauben abgegeben wurde, entfällt der Schutz nicht, wenn sich später herausstellt, dass ein Verstoß tatsächlich nicht vorgelegen hat.
Das HinSchG legt bestimmte Reaktionspflichten nach einer Meldung fest, u.a.:
Arbeitgeber sollten sich vor allem wegen der drohenden Bußgelder von bis zu EUR 50.000 und der Möglichkeit von noch höheren Bußgeldern, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, mit diesem Thema auseinandersetzen und Hinweisgeberschutzsysteme einführen, wenn noch keine existieren. Das gilt vor allem für Unternehmen mit mehr als 249 Beschäftigten, weil für sie keine Übergangsfrist vorgesehen ist. Bestehende Systeme sind darauf zu prüfen, ob sie die gesetzlichen Vorgaben erfüllen.
Wenn Sie planen, ein Hinweisgeberschutzsystem einzuführen, wenden Sie sich gerne an uns oder an Ihren üblichen Ansprechpartner bei Orrick.