4 minute read | March.25.2025
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 19. März 2025 (10 AZR 67/24) entschieden, dass eine Regelung in einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm unwirksam ist, die einen Verfall von gevesteten virtuellen Optionsrechten bei einer Eigenkündigung vorsieht.
Das BAG hält die Verfallsklausel – entgegen den Vorinstanzen – für unwirksam, da sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige. Gevestete Optionen seien (auch) Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung und nicht lediglich eine Belohnung für die Betriebstreue.
Für ebenfalls unwirksam hält das Gericht eine Klausel, die vorsieht, dass die gevesteten virtuellen Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses doppelt so schnell verfallen, wie sie innerhalb der Vesting-Periode entstanden sind.
Damit ändert das BAG ausdrücklich seine Rechtsprechung aus 2008 (Urteil vom 28.05.2008 – 10 AZR 351/07). Damals nahm das Gericht an, dass eine solche Verfallklausel dem Arbeitnehmer keine bereits erdiente Vergütung entzieht, sondern nur eine Verdienstchance mit spekulativem Charakter. Die begünstigten Mitarbeiter könnten daher kein Vertrauen haben in die Werthaltigkeit der Optionen und seien daher weniger schutzwürdig.
In dem entschiedenen Fall hatte ein Unternehmen in seinen VSOP-Regelungen festgelegt, dass gevestete Optionen bei Eigenkündigung des Mitarbeiters sofort verfallen. Bei anderen Beendigungen des Arbeitsverhältnisses sollten sie doppelt so schnell verfallen, wie sie vesten. Das Unternehmen behauptete, die virtuellen Optionen belohnten die Betriebstreue der begünstigten Mitarbeiter und seien lediglich eine Verdienstchance.
Das BAG widersprach dem. Gevestete Optionen sind eine Gegenleistung für geleistete Arbeit und Teil der Vergütung.
Die Regelungen des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) einer besonderen gerichtlichen Kontrolle. Sie dürfen die Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Das BAG entschied, dass der sofortige Verfall der Optionen die Interessen der Arbeitnehmer nicht ausreichend berücksichtigt und eine unverhältnismäßige Kündigungserschwerung darstellt.
Arbeitnehmer könnten sich durch die Regelungen gezwungen fühlen, nicht zu kündigen, um Vermögenseinbußen zu vermeiden. Da die gevesteten Optionen Teil der Vergütung seien, widerspreche die Verfallsregelung dem Rechtsgedanken des § 611a Abs. 2 BGB, der den Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Auch die Klausel, die einen schnelleren Verfall der Optionen bei sonstiger Beendigung vorsieht (sog. Devesting), wurde als unangemessen und unwirksam bewertet, da sie die erbrachte Arbeitsleistung während der Vesting-Periode nicht berücksichtigt.
Die Entscheidung liegt bisher nur als Pressemitteilung vor. Ob das BAG Bindungs- und Verfallklauseln bei allen Formen der Deferred Compensation – Aktien, Aktienoptionen, virtuelle Optionen usw. – und unabhängig von der Art der Kündigung für unzulässig hält und neue Grundsätze aufstellt, wird sich erst aus den Entscheidungsgründen ergeben.
Unklar bleibt, ob die neue Linie des Gerichts nur dann greift, wenn die optionsgewährende Gesellschaft zugleich der Arbeitgeber ist, wie im entschiedenen Fall. Die Argumentation in der Pressemitteilung lässt sich nicht ohne Weiteres auf Konzerngestaltungen übertragen, bei denen kein Arbeitsverhältnis zwischen der gewährenden Gesellschaft und dem Arbeitnehmer besteht, etwa wenn die Muttergesellschaft die virtuellen Anteile vergibt. Oft unterliegen in diesen Konstellationen die VSOP-Regelungen auch nicht dem deutschen Recht, so dass schon aus diesem Grund die Anwendbarkeit des deutschen AGB-Rechts fraglich ist.
Die Entscheidung sagt zudem nichts darüber, ob Verfallsklauseln bei noch nicht gevesteten Optionen zulässig sind.
Soweit Verfallsklauseln und Devesting-Regelungen bei Ausscheiden die Interessen der Arbeitnehmer angemessen berücksichtigen, werden sie weiterhin zulässig und wirksam sein. Hierbei wird nach der Pressemitteilung auch zu berücksichtigen sein, in welchem zeitlichen Verhältnis Vesting und Verfall stehen.
Unternehmen sollten ihre Regelungen zu VSOP und vergleichbarer Deferred Compensation mit Blick auf die Entscheidung prüfen und die Programme nach Bedarf anpassen. Dies wird abschließend erst möglich sein, wenn die schriftlichen Entscheidungsgründe vorliegen. Sie sollten auch Optionen prüfen, bei denen die gewährende Gesellschaft nicht der Arbeitgeber ist, weil es hier voraussichtlich mehr Gestaltungsspielraum geben wird.
Mit Blick auf ausgeschiedene Mitarbeiter sollten Unternehmen ebenfalls prüfen, ob die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen etwaige VSOP-Ansprüche erfassen.