AÜG-Reform 2017 im Bundestag beschlossen

Employment Law Alert
October.27.2016

Der Bundestag hat am 21. Oktober 2016 den Gesetzentwurf zur Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) beschlossen. Noch im November wird sich der Bundesrat mit dem Gesetz befassen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anruft.

Die Reform wird daher aller Voraussicht nach am 1. April 2017 in Kraft treten. Was kommt auf Zeitarbeits- und Einsatzunternehmen zu?

Die Kernpunkte der Reform im Überblick

  • Eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten wird eingeführt.
  • Zeitarbeitsunternehmen müssen nach neun Monaten Equal Pay gewähren.
  • Eine "Vorratserlaubnis" schützt nicht mehr bei Scheinwerkverträgen.
  • Leiharbeitnehmer können nicht mehr als Streikbrecher eingesetzt werden.
  • Die Betriebsräte im Einsatzunternehmen erhalten neue Informations- und Unterrichtungsrechte.
  • Leiharbeitnehmer werden künftig bei vielen Schwellenwerten im Einsatzunternehmen berücksichtigt.

Die Einzelheiten

  • Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten
    • Derselbe Leiharbeitnehmer darf künftig maximal 18 Monate lang eingesetzt werden.
    • Einsatzzeiten vor Inkrafttreten des Gesetzes werden nicht angerechnet. Erstmals mit Ablauf des 30. September 2018 kann damit die Überlassungshöchstdauer überschritten sein.
    • Bei einem wiederholten Einsatz desselben Leiharbeitnehmers bei demselben Entleiher werden die Einsatzzeiten zusammengerechnet, wenn die Unterbrechung nicht länger als drei Monate beträgt. Wird der Einsatz also für mindestens drei Monate und einen Tag unterbrochen, fängt die Höchstdauer neu an zu laufen und frühere Einsätze werden nicht berücksichtigt.
    • Nur durch Tarifverträge der Einsatzbranche oder aufgrund solcher Tarifverträge durch Betriebsvereinbarung kann von der Überlassungshöchstdauer abgewichen werden. Enthält der Tarifvertrag keine Vorgabe an die Betriebsparteien, wie weit sie abweichen dürfen, dann dürfen nicht-tarifgebundene Unternehmen in einer Betriebsvereinbarung eine Überlassungshöchstdauer von maximal 24 Monaten festlegen. Für tarifgebundene Unternehmen gilt diese zeitliche Grenze nicht.
    • Bei Überschreitung der Überlassungshöchstdauer kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen Einsatzunternehmen und Leiharbeitnehmer zustande, wenn der Leiharbeitnehmer dem nach Überschreiten der Überlassungshöchstdauer nicht widerspricht. In diesem Fall bleibt das Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher bestehen.
    • Darüber hinaus drohen Verleiher und Entleiher Bußgelder von bis zu EUR 30.000.
  • Equal Pay spätestens nach neun Monaten
    • Leiharbeitnehmer müssen spätestens nach neun Monaten bei der Vergütung mit Stammbeschäftigten gleichgestellt werden.
    • Wie bei der Überlassungshöchstdauer werden Einsatzzeiten vor Inkrafttreten des Gesetzes nicht angerechnet. Das heißt: Erstmals ab 1. Januar 2018 gilt zwingend Equal Pay.
    • Auch bei der Berechnung der neunmonatigen Frist für Equal Pay gilt, dass Einsatzzeiten zusammengerechnet werden, wenn die Unterbrechung nicht länger als drei Monate beträgt.
    • Wenn in der Einsatzbranche ein Branchenzuschlagstarifvertrag gilt, gilt Equal Pay erst nach 15 Monaten. Die Ausnutzung der längeren Abweichung bis zum 15. Einsatzmonat ist aber nur möglich, wenn der Branchenzuschlagstarifvertrag die stufenweise Heranführung an das Entgelt der Stammbelegschaft spätestens nach einer Einarbeitungszeit von sechs Wochen vorsieht.
  • Scheinwerkverträge
    • Eine vorsorglich beantragte Überlassungserlaubnis ("Vorratserlaubnis") verhindert zukünftig nicht die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses bei Scheinwerk- und Scheindienstverträgen.
    • Scheinwerk- und Scheindienstverträge sind Werk- oder Dienstverträge, die zwar der Papierform nach die Erstellung eines Werks oder die Erbringung von Dienstleistungen vorsehen, in der Praxis aber nur Personalgestellung sind.
    • Nur wenn bei vorhandener Erlaubnis die Überlassung eindeutig als solche kenntlich gemacht und bezeichnet ist, also "offen" überlassen wird, kommt kein Arbeitsverhältnis zwischen Einsatzunternehmen und Leiharbeitnehmer zustande.
    • Der Verleiher muss den Leiharbeitnehmer künftig vor jeder Überlassung darüber informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird.
  • Benennung der Leiharbeitnehmer im Überlassungsvertrag
    • Die zu überlassenden Leiharbeitnehmer sind künftig vor der Überlassung im Überlassungsvertrag namentlich zu benennen.
    • Es droht ein Bußgeld von bis zu EUR 30.000 wenn der Leiharbeitnehmer vor der Überlassung nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig im Überlassungsvertrag benannt wird.
  • Verbot von Streikbrecher-Arbeit durch Leiharbeitnehmer
    • Leiharbeitnehmer dürfen bei einem Streik nicht als Streikbrecher eingesetzt werden. Das Einsatzverbot gilt auch dann, wenn der Leiharbeitnehmer Tätigkeiten eines Stammarbeitnehmers wahrnimmt, der seinerseits Tätigkeiten für einen streikenden Stammarbeitnehmer übernimmt.
    • Ausgenommen sind Tätigkeiten, die bisher nicht von Arbeitnehmern erledigt wurden, die sich im Arbeitskampf befinden. In diesem Fall steht dem Leiharbeitnehmer jedoch das Recht zu, die Arbeitsleistung zu verweigern. Auf dieses Recht hat der Verleiher den Leiharbeitnehmer hinzuweisen.
    • Bei einem Verstoß droht dem Einsatzunternehmen eine Geldbuße von bis zu EUR 500.000.
  • Neue Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats bei Werkverträgen
    • Die Neuregelungen geben dem Betriebsrat neue Informations- und Unterrichtungsrechte.
    • Das Einsatzunternehmen muss insbesondere dem Betriebsrat die Verträge vorlegen, die dem Fremdpersonaleinsatz zugrunde liegen, und den Betriebsrat darüber unterrichten, welche Tätigkeiten Fremdpersonal übernimmt.
  • Berücksichtigung bei Schwellenwerten der Mitbestimmung
    • Leiharbeitnehmer sollen künftig grundsätzlich bei Schwellenwerten im Einsatzbetrieb mitzählen. Für die Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat soll dies nur gelten, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt.
    • Das kann dazu führen, dass dem Betriebsrat künftig mehr Mitbestimmungsrechte zustehen und mehr Betriebsratsmitglieder zu wählen und freizustellen sind. Möglicherweise müssen Unternehmen so auch erstmals mitbestimmte Aufsichtsräte bilden.

Fazit und To-do's

Die Neuregelungen verlangen von Zeitarbeits- und Einsatzunternehmen umfangreiche Änderungen ihrer Verträge. Da künftig allein die Vorratserlaubnis als "Fallschirm" nicht mehr helfen wird, wird man sich Gestaltungen, die schon nach der Papierform gefährlich nah an der Überlassung sind, anschauen und gegebenenfalls auch die tatsächlichen Abläufe umstellen müssen.