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Editorial und aktuelle Entscheidungen (English text below)

  1. Orrick Gründertraining – Wie können die fünf größten arbeitsrechtlichen Fehler eines Start-ups verhindert werden
  2. Neues zum Widerrufsrecht im E-Commerce
  3. Hamburgischer Datenschutzbeauftragter gibt Google Änderungen bei der Erstellung von Nutzerprofilen auf
  4. Regierungsentwurf zur Steuerfreiheit für INVEST-Zuschuss auf den Weg gebracht
  5. Sind dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten?
  6. Einsatz von verbotenen Schneeballsystemen zur Kundengewinnung

 

Editorial and Case Law

  1. Orrick Founders' Training – How to Avoid the five Biggest Employment Mistakes for Start-ups
  2. News Regarding the Statutory Cancellation Policy for E-Commerce
  3. Hamburg Data Protection Officer Forces Changes upon Google when Creating Profiles
  4. German Government Proposes Tax Exemption for Public INVEST Grant to Start-up Investors
  5. Are Dynamic IP Addresses Personal Data?
  6. Using illegal Ponzi schemes to acquire new customers


 



Editorial

1. Orrick Gründertraining – Wie können die fünf größten arbeitsrechtlichen Fehler eines Start-ups verhindert werden

Im deutschen Arbeitsrecht lauern zahlreiche Fallen und Risiken. Es gibt jedoch Wege, unnötige arbeitsrechtliche Probleme zu verhindern. Die folgende Darstellung zeigt die fünf größten arbeitsrechtlichen Fehler neu gegründeter Unternehmen auf und gibt Praxistipps zu ihrer Verhinderung.

1.1 Verhindern Sie Diskriminierungsfälle

Oftmals werden schwerwiegende arbeitsrechtliche Fehler bereits in der ersten Phase der Gründung eines Unternehmens, d. h. im Einstellungsverfahren gemacht. Das allgemeine Gleichstellungsgesetz („AGG") verbietet jegliche Benachteiligung aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder der sexuellen Identität während des Einstellungsprozesses. Dies bedeutet vor allem, dass Stellenanzeigen geschlechtsneutral auszuschreiben sind und keinerlei Bezugnahme auf das Alter der Kandidaten beinhalten dürfen (suchen Sie nicht nach „young professionals", stellen Sie sich nicht als „junges Team" vor, etc.). Anderenfalls kann das Unternehmen signifikanten Entschädigungsforderungen wegen vermeintlicher Diskriminierung von Bewerbern ausgesetzt sein. Vergleichbare Risiken bestehen bei der Ablehnung von Bewerbern. Die Ablehnung eines Bewerbers darf in keinem Fall auf Kriterien gestützt werden, die eine Diskriminierung begründen könnten (Alter, Geschlecht, Schwerbehinderung, etc.). Jegliche (indirekte) Bezugnahme auf solche Diskriminierungsmerkmale kann kostenintensive und zeitaufwändige Diskriminierungsklagen nach sich ziehen. Daher ist es ratsam, abgelehnten Bewerbern keine Gründe für die Ablehnung mitzuteilen. Vorsicht ist jedoch bei schwerbehinderten Bewerbern geboten. Diese haben aufgrund von gesetzlichen Regelungen einen Anspruch auf Begründung der Ablehnung. Wenn das Unternehmen diese Pflicht verletzt und keine Ablehnungsgründe mitteilt, kann ein Arbeitsgericht dies als ein Indiz für eine Diskriminierung werten.

1.2 Nutzen Sie die Probezeit

Das deutsche Arbeitsrecht ermöglicht es dem Arbeitgeber, neu eingestellte Arbeitnehmer während einer Probezeit von bis zu sechs Monaten zu testen. Während der Probezeit ist die Kündigung eines Arbeitnehmers ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes möglich. Daher kann ein Arbeitnehmer, der während der Probezeit gekündigt wird auch keine Abfindungszahlung verlangen. Unmittelbar nach dem Ende der Probezeit wendet sich jedoch das Blatt und der Arbeitgeber kann dem Mitarbeiter nur noch kündigen, wenn wirksame Kündigungsgründe vorliegen (z. B. betriebsbedingte oder verhaltensbedingte Gründe). Ohne einen wirksamen Kündigungsgrund wird der Arbeitgeber im Zweifelsfall eine Abfindung zu zahlen haben. Zweifelt ein Arbeitgeber an der Eignung eines Mitarbeiters für eine Position, ist es daher im Regelfall ratsam, dass Arbeitsverhältnis ohne zusätzliche Kosten während der Probezeit zu beenden anstatt auf eine möglicherweise nicht eintretende Verbesserung nach dem Ende der Probezeit zu warten. Die Arbeitsgerichte müssen sich jedes Jahr mit zahlreichen Kündigungsschutzklagen von Arbeitnehmern befassen, die kurz nach dem Ablauf Ihrer Probezeit gekündigt wurden. Viele Unternehmen lernen in diesen Verfahren auf schmerzhafte Weise, dass eine wirksame Kündigung aufgrund von Performance-Problemen nahezu unmöglich ist (sogar der Low Performer genießt Kündigungsschutz, solange er nur seine – begrenzten – Fähigkeiten ausreizt). Aufgrund des Umstandes, dass unmittelbar nach dem Ende der Probezeit vollumfänglicher Kündigungsschutz besteht, müssen Unternehmen solche Kündigungsschutzverfahren oftmals unter Zahlung erheblicher Abfindungssummen vergleichen. Daher sollte der Arbeitgeber im Zweifelsfall während der Probezeit eher eine Kündigung aussprechen, als dem Mitarbeiter noch eine zweite Chance zu gewähren.

1.3 Schließen Sie befristete Arbeitsverträge ab

Aufgrund des starken Kündigungsschutzes sollten Arbeitgeber soweit möglich befristete Arbeitsverträge abschließen, um kostspielige Kündigungsschutzverfahren zu verhindern. Arbeitsverträge können für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren befristet abgeschlossen werden. Im Fall von neugegründeten Unternehmen ist dies sogar für bis zu vier Jahre möglich. Nach dem Ablauf der befristeten Laufzeit endet das Arbeitsverhältnis automatisch ohne das Erfordernis einer Abfindungszahlung. Es bestehen in diesem Bereich jedoch zahlreiche versteckte Risiken, die bekannt sein sollten, um unwirksame Befristungen zu verhindern. Zunächst ist es wichtig, dass der befristete Arbeitsvertrag in jedem Fall vor dem Beginn der Tätigkeit eines Arbeitnehmers abgeschlossen werden muss. Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses (die der Schriftform unterliegt!) ist zum Beispiel unwirksam, wenn ein Arbeitnehmer zunächst seine Tätigkeiten aufnimmt und erst einige Stunden später den schriftlichen Arbeitsvertrag unterzeichnet. Arbeitsverträge sollten daher zwingend vor Antritt der Tätigkeiten unterzeichnet werden. Ferner ist darauf zu achten, dass ein Arbeitnehmer mit Ablauf der Befristung seine Tätigkeiten auch tatsächlich einstellt. Wenn der Arbeitnehmer trotz der Beendigung der Befristung seine Tätigkeiten mit Wissen des Arbeitgebers auch nur für einen kurzen Zeitraum fortsetzt, gilt dies als unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit allen daraus resultierenden Folgen, wie z. B. dem Bestehen von Kündigungsschutz.

1.4 Schützen Sie Ihre Betriebsgeheimnisse

Aufgrund des technologischen Fortschritts des Internetzeitalters kann ein Arbeitnehmer heutzutage die wichtigsten Betriebsgeheimnisse seines Arbeitgebers mit wenigen Klicks entwenden. Arbeitgeber sollten daher sämtliche Möglichkeiten nutzen, um dieses erhebliche Risiko zu minimieren. Die Anstellungsverträge von neu gegründeten Unternehmen sollten strenge Verschwiegenheitsregelungen enthalten und durch wirksame Vertragsstrafenklauseln flankiert werden. Zudem sollte zur Abschreckung der Mitarbeiter schriftlich darauf hingewiesen werden, dass die Entwendung von Betriebsgeheimnissen ein strafrechtlich relevantes Vergehen im Sinne von § 17 UWG darstellt. Darüber hinaus sollte ein Arbeitgeber es technisch so schwer wie nur eben möglich machen, Betriebsgeheimnisse zu entwenden. Die Nutzung von Cloud-Diensten oder das Weiterleiten von Unternehmensinformationen an private Email-Konten sollte ausdrücklich verboten werden. Soweit möglich sollte auch die Nutzung privater Geräte für Unternehmenszwecke eingeschränkt werden (kein bring your own device), um die Kontrolle über vertrauliche Unternehmensinformationen nicht unnötig zu verlieren.

1.5 Verhindern Sie die Abwerbung Ihrer Schlüsselmitarbeiter durch Konkurrenten

Ihre Arbeitnehmer sind von höchster Wichtigkeit für Ihre Unternehmen, lassen Sie es nicht zu, dass Konkurrenten diese abwerben. Das deutsche Recht erlaubt den freien Wettbewerb um die besten Köpfe, solange die Beteiligten Unternehmen keine unlauteren Mittel einsetzen. Sie sollten daher die Gefahr, dass ein Konkurrent erfolgreich Ihre besten Mitarbeiter abwirbt soweit wie nur eben möglich reduzieren. Dies kann am besten erreicht werden, wenn Sie Ihren Mitarbeitern attraktive Arbeitsbedingungen und eine wettbewerbsfähige Vergütung bieten. Daher ist eine regelmäßige Überprüfung der Angemessenheit der Vergütung Ihrer Schlüsselmitarbeiter unerlässlich, um mögliche Offerten von Konkurrenten weniger attraktiv zu machen. Kommt es dennoch zu Abwerbeversuchen, sollten unverzüglich rechtliche Schritte eingeleitet werden, wenn der Konkurrent unlautere Mittel einsetzt. Unlautere Mittel zur Abwerbung liegen z. B. vor, wenn

  • ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit per Telefon kontaktiert wird und der Anruf des Headhunters / Unternehmensvertreters länger als nur wenige Minuten dauert;
  • der Headhunter / Unternehmensvertreter den Mitarbeiter dazu anhält, Vertragsregelungen zu brechen (z. B. Anstiftung zur Verletzung von Kündigungsfristen oder zur Preisgabe von Betriebsgeheimnissen, etc.);
  • der Headhunter / Unternehmensvertreter abwertende Bemerkungen über den jetzigen Arbeitgeber macht.

Im Falle solcher unlauteren Abwerbeversuche sollten unverzüglich rechtliche Schritte eingelegt werden, um den Wettbewerber von der Abwerbung Ihrer besten Mitarbeiter abzuhalten.

Ein weiterer einfacher Weg zur Reduzierung des Risikos von Abwerbungen ist die Vereinbarung längerer Kündigungsfristen mit Ihren Schlüsselmitarbeitern.

Kontaktieren Sie den Autor: Dr. Ulrich Wahlers ([email protected]).

 

1. Orrick Founders' Training - How to Avoid the five Biggest Employment Mistakes for Start-ups

German labor law contains numerous pitfalls and hidden risks. However, there are ways to avoid unnecessary legal problems. The following article shows the 5 biggest employment mistakes of emerging companies and how to avoid them.

1.1 Avoid Discrimination Pitfalls

Many mistakes are made during the first period of establishing a company in connection with the hiring process. German mandatory law prohibits any discrimination on the grounds of race, ethnic origin, gender, religion or belief, disability, age or sexual orientation during hiring. Most importantly, this requires job advertisements which are gender-neutral and do not refer to the age of potential hires (do not look for "young professionals", do not advertise as "young team", etc.). Otherwise, the company may face claims for discrimination which can lead to significant compensation payments for the allegedly discriminated applicant. Similar risks exist when it comes to rejecting applicants. The rejection of an applicant must not be based on any criteria which can constitute discrimination (gender, age, disability etc.). Any (indirect) relation to such criteria can trigger costly and time-consuming discrimination claims. Therefore, it is recommendable not providing any reasons for rejection at all. However, be careful in case of disabled applicants. Disabled applicants are by law entitled to receive a reason for rejection. If the company fails to provide an explication, a labor court can consider that discrimination exists.

1.2 Use the Probationary Periods

German law allows testing newly hired employees during a probationary period of up to 6 months. During the probationary period, the dismissal of an employee does not require a specific reason. Therefore, an employee who is dismissed during the probationary period cannot claim a severance payment. However, immediately after the expiry of the probationary period, the tables turn and the employer can only dismiss the employee for valid reasons (e.g. operational reasons, misconduct etc.). Without a valid reason for dismissal, the employer will have to pay a severance in order to end the employment. Therefore, in case of doubts regarding the performance of an employee, it is usually recommendable dismissing the employee without additional costs during the probationary period instead of waiting for a later improvement after the end of the probationary period. Each year, German courts have to deal with numerous dismissals which were carried out shortly after the end of the probationary period. Many companies painfully learn that under German law, a valid dismissal for performance problems is nearly impossible (even the low performer is protected against dismissal as long as he performs to the best of his – limited – abilities). Due to the full protection against dismissal which is triggered immediately after the end of the probationary period, companies often have to settle such cases paying considerable severance amounts. Therefore, in case of doubt, employers should rather dismiss problematic employees during the probationary period and not give "a second chance".

1.3 Conclude Fixed-Term Contracts

Given the strong protection against dismissal, employers should conclude fixed-term employment contracts in order to avoid costly dismissal proceedings. For a period of up to 2 years (up to 4 years in case of newly established start-ups), employment contracts can be concluded with a fixed term. After the end of the fixed term, the employment automatically ends without any need to pay a severance. However, there are numerous hidden risks which should be known in order to avoid invalid fixed term contracts. Firstly, the fixed term employment contract (observe the written-form requirement!) must be concluded before the employee starts to work. Otherwise, the contract is legally deemed as concluded for an unlimited time. Therefore, if the employee starts working and signs his employment contract a few hours later, the fixed term clause is already invalid. Furthermore, at the end of the fixed term, the employee must stop working. If he continues to work even for a short time beyond the end of the fixed term and the employer accepts that, the employment contract continues for an unlimited time (with all the legal consequences such as protection against dismissal, etc.).

1.4 Protect Your Secrets

Due to the technological advances of the internet age, an employee nowadays can steal critical trade secrets of his employer with a few clicks. Companies should do everything possible to reduce this risk. Therefore, the employment contracts of emerging companies should contain strict and valid secrecy regulations which must be complemented with enforceable contractual penalty clauses. In addition, in order to deter employees, they should be informed in writing that the theft of trade secrets constitutes a severe criminal offence in terms of section 17 of the German Unfair Competition Act ("UWG"). Companies should also make it technically as difficult as possible for employees to steal confidential information. The use of cloud services or forwarding company information to private email accounts should be explicitly prohibited. If possible, the use of private devices for company purposes should be restricted (no BYOD) in order to control company information.

1.5 Don´t let Competitors Poach Your Key Employees

Your employees are highly important assets for your business; don´t let your competitors poach them. German law allows companies to compete for the best employees as long as no unfair measures are used. You should limit the risk that a competitor successfully solicits your key employees. The best way to achieve this is of course offering attractive working conditions and a competitive remuneration. Therefore, a regular review of the salary of your high performers is inevitable in order to make the competitor´s offer less attractive. If a company becomes aware of soliciting activities of a competitor, legal steps should be initiated immediately if the competitor violates competition law. For example, a breach of law exists if

  • an employee is approached during working time via telephone and the call is longer than a few minutes;
  • the headhunter/company representative motivates the employee to violate his contract (e.g. violating his notice periods, disclosing trade secrets etc.);
  • the headhunter/company representative makes disparaging comments about the current employer.

In case of such violations of law, legal proceedings should be initiated immediately to stop the competitor from taking over the key employees. Another way to increase the protection against a sudden loss of key employees is agreeing on a longer notice period with key employees. 

Contact the Author: Dr. Ulrich Wahlers ([email protected]).

 

2. Neues zum Widerrufsrecht im E-Commerce

Die am 13. Juni 2014 in Kraft getretene umfassende Neuregelung des Widerrufsrechts beim Online-Verbrauchsgüterkauf hat in der Praxis zu zahlreichen schwierigen Fragen geführt und es herrscht weiterhin vielfach Rechtsunsicherheit. Gerade vor dem Hintergrund der Widerrufsmöglichkeit noch nach einem Jahr und zwei Wochen bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung, ist eine rasche Klärung der offenen Fragen durch die Gerichte wünschenswert. Hier ist auf zwei aktuelle Entscheidungen hinzuweisen: Mit Urteil vom 6. August 2014 Az. 13 O 102/14) hat das Landgericht Bochum zur Frage Stellung genommen, welche Kontaktinformationen zu den in einer Widerrufsbelehrung zu machenden Pflichtangaben gehören. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 25. September 2014 (19 U 100/14) wichtige Hinweise zur optischen Gestaltung einer Widerrufsbelehrung gegeben. Letztgenannte Entscheidung erging zwar noch zur alten Rechtslage, ist aber auf die neue Rechtslage übertragbar.

2.1 Angabe von Kontaktdaten in der Widerrufsbelehrung

Welche Kontaktinformationen zu den Pflichtangaben der Widerrufsbelehrung zählt, ist unter dem neuen Fernabsatzrecht nicht unumstritten. In dem amtlichen Belehrungsmuster, worauf in § 356 I BGB i.V.m. Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB verwiesen wird, heißt es, dass Namen, Anschrift und Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mailadresse einzufügen seien, soweit sie "verfügbar sind". Wann eine Telefonnummer in einer Widerrufsbelehrung aufgenommen werden muss, hat das Landgericht Bochum in seinem oben genannten Urteil nun entschieden.

Kurz zum Hintergrund: Ein Online-Händler wurde von einem Konkurrenten abgemahnt, er habe aufgrund fehlender Angaben von Telefonnummer, Faxnummer und E-Mailadresse in der eigenen Widerrufsbelehrung wettbewerbswidrig gehandelt. Die Musterwiderrufsbelehrung verlange diese Angaben des Verkäufers, soweit sie verfügbar seien. Eine Nichtverfügbarkeit liege nur dann vor, wenn keine derartige Nummer bzw. Adresse existiere. Diese Angaben waren jedoch im Impressum verfügbar gewesen.

Das Landgericht Bochum folgt dem im Ergebnis und stellt klar, dass der Widerruf nach dem neuen Verbraucherrecht formlos, d.h. auch mündlich, telefonisch, per Fax oder E-Mail erklärt werden könne. Zwar sei der Unternehmer nicht verpflichtet, die Musterwiderrufsbelehrung zu verwenden. Die fehlende Verpflichtung zur Verwendung des Widerrufsbelehrungsmusters entbinde den Unternehmer jedoch nicht von der Belehrungspflicht über das Widerrufsrecht als solches. Aus dem Umstand, dass die Musterwiderrufsbelehrung von "Verfügbarkeit" und nicht "Vorhandensein" der erforderlichen Kontaktinformationen spreche, könne nicht darauf geschlossen werden, dass die Angabe dieser Informationen im Belieben des Unternehmens stehe.

Im Regelfall seien bei Fernabsatzverträgen innerhalb der Widerrufsbelehrung Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mailadresse zu nennen, sofern diese existieren. Von einer Existenz konnte das Gericht im vorliegenden Fall aufgrund der Angaben im Impressum ausgehen.

2.2 Design der Widerrufsbelehrung

Das OLG Frankfurt hat einige Anforderungen zur den (drucktechnischen) Anforderungen an eine wirksame Widerrufsbelehrung konkretisiert. Obgleich die Entscheidung zum alten Fernabsatzrecht vor Inkrafttreten der Novellierung Mitte Juni diesen Jahres ergangen ist, sind die Ausführungen des OLG Frankfurt gleichfalls auch unter der nunmehr geltenden Rechtslage relevant.

Die Widerrufsbelehrung muss eine ladungsfähige Anschrift des Verkäufers enthalten. Als "ladungsfähige Anschrift des Widerrufsempfängers" reicht nach Ansicht des OLG Frankfurt eine Ortsangabe unter Hinzufügung der als Großempfängerin der Post zugeordneten Postleitzahl. Denn für diese Postleitzahl sei im Internet auf dem Portal der Deutschen Post für jedermann eine physische Adresse hinterlegt.

Das OLG Frankfurt betont, dass die Widerrufsbelehrung deutlich erfolgen muss. Dies sei der Fall, wenn

  • die Widerrufsbelehrung in einem eigenen, vom restlichen Vertragstext abgegrenzten Absatz enthalten sei;
  • eine fettgedruckte Überschrift aufweise;
  • eine Strukturierung durch Zwischenüberschriften aufweise;
  • und in hinreichend großer Schrift verfasst sei.

Kontaktieren Sie die Autoren: Dr. Sven Greulich ([email protected]).

         

2. News Regarding the Statutory Cancellation Policy for E-Commerce

The extensive revision of the statutory cancellation policy regarding the online sale of consumer goods which came into force on 13 June 2014 has, in practice, led to numerous difficult questions and a great deal of legal uncertainty still prevails. In particular before the background that, in the case of a faulty cancellation policy information, a cancellation option still exists after a year and two weeks, a speedy clarification of the unanswered questions by the courts is desirable.

Two recent decisions should be mentioned here: By judgment of 6 August 2014 (file no. 13 O 102/14) the Bochum District Court commented on the question of which contact details have to be submitted in a cancellation policy. In its decision of 25 September 2014 (19 U 100/14) the Higher Regional Court of Frankfurt am Main gave some important guidelines regarding the visual design of a cancellation policy.  Although the latter decision was made with respect to the old legal regime, it is also applicable to the new legal e-commerce law that came into force in June 2014.

2.1 Information about Contact Details in the Cancellation Policy

Which contact details belong to the mandatory information in the cancellation policy, is controversial under the new E-Commerce law. In the official instruction sample to which § 356 para. 1 German Civil Code together with Art. 245 a § 1 para. 1 sentence 1 No. 1 Introductory Act to the German Civil Code refers, is says that name, address and telephone number, telefax number and e-mail address  have to be shown insofar as they are "available". When a telephone number has to be included in a cancellation policy has now been decided by the Bochum District Court in its above cited decision.

Briefly to the background: An online dealer was warned by a competitor that he had behaved anti-competitively due to the fact that the telephone and telefax numbers as well as the email address were missing in his cancellation policy. The cancellation policy sample requires these details of the seller, insofar as they are available. "Non-availability" will only be accepted if no such number and/or address exists. However, these details could be found in the "about us" section of the website.

The Bochum District Court confirmed this position and rule that according to the new law a cancellation can be made without observing any form requirements, i.e., also orally, by telephone, telefax or email. The entrepreneur is not forced to use the sample cancellation policy provided by the law, however, the absence of the requirement to use the sample cancellation policy does not relieve him of the obligation to inform about the cancellation options as such. It cannot be deduced from the circumstance that the sample cancellation policy speaks of "availability" and not of "existence" of the necessary contact details, that the provision of this information remains at the discretion of the entrepreneur. Normally in e-commerce business the telephone number and telefax number as well as the e-mail address have to be stated in the cancellation policy, insofar as these exist. In the present case, the court was able to assume that these existed due to them appearing in the "about us" section on the website.

2.2 Design of Cancellation Policy

In a recent order the Higher Regional Court (OLG) has substantiated the requirements for the inter alia (typographical) emphasis of the cancellation policy. Although the decision was issued with regard to the old law prior to its amendment mid-June of 2014, the decision of the OLG Frankfurt are applicable to the new law as well.

The cancellation policy must contain the complete address as required for a summons. According to the court, for the "complete address of the recipient of the cancellation" it shall be sufficient to indicate the location with the addition of the special postal code assigned to the large recipient. For this postal code, the web site of the German Mail contains the required address details.

Furthermore, the OLG pointed out, that the cancellation policy has to be indicated clearly and prominently. This applies if the cancellation policy

  • is presented in an own passage, separated from the remaining text of the contract;
  • follows a title in bold;
  • is structured by subheadings and
  • is listed in bigger font.

Contact the Authors: Dr. Sven Greulich ([email protected]).

 

3. Hamburgischer Datenschutzbeauftragter gibt Google Änderungen bei der Erstellung von Nutzerprofilen auf

Die Datenverarbeitung von Google steht schon seit geraumer Zeit in der Kritik. Durch die Speicherung und Verwertung von den Nutzungsinformationen der Kunden ist es Google möglich, umfangreiche Kundenprofile zu erstellen, die unter anderem Auskunft über deren Bewegungsmuster, den finanzielle Status, freundschaftliche Beziehungen und das Konsumverhalten geben.

Durch die seit 2012 geltenden Regelungen zum Datenschutz (Privacy Policy) behält sich Google die Erstellung solcher Profile ausdrücklich vor und war bisher trotz massiver Kritik vieler europäischer Datenschutzaufsichtsbehörden nicht bereit, an dieser Praxis etwas zu verändern.

Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte hat in einer Pressmitteilung vom 30.09.2014 die Auffassung vertreten, dass die beschriebene Profilbildung jeder Rechtsgrundlage entbehrt, wenn sie sich nicht auf eine konkret erhobene informierte Einwilligung stützen kann, oder, sofern im Einzelfall doch gesetzlich erlaubt, der Nutzer der Profilbildung widersprechen kann. Da beide Anforderungen bisher nicht erfüllt sind, hat der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Google im Wege einer Verwaltungsanordnung verpflichtet, Daten, die bei der Nutzung unterschiedlicher Google-Dienste anfallen, nur unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zu erheben und zu kombinieren.

Google könnte nun bei Verweigerung der Umsetzung der Anordnung zu einem Zwangsgeld verurteilt werden. Andere Länder, wie z.B. Frankreich haben bereits gegen Google Bußgelder festgesetzt.

Kontaktieren Sie den Autor: Dr. Christian Schröder ([email protected]).

 

3.  Hamburg Data Protection Officer Forces Changes upon Google when Creating Profiles

Google's data processing operations have faced criticism for quite some time. By storing and utilizing customers' usage information, Google is able to create extensive customer profiles which provide, among other things, information about their movement patterns, financial status, friendly relations and consumer behavior.

In its newly published rules on data protection (Privacy Policy) which are in force since 2012, Google explicitly reserves its right to create such profiles. Despite massive criticism from many European data protection supervisory authorities Google has until today refused to change its data processing operations.

In a press release dated 30.09.2014 the Hamburg Data Protection Officer took the view that the creation of customer profiles lacks any legal basis unless supported by specific consent, or, if permitted by law for specific situations, the customer can object to the profile creation. As neither requirement have been met so far, the Hamburg Data Protection Officer has, by way of an administrative instruction, instructed Google to only collect and combine data which accrue while using the various Google services under observance of the legal regulations.

Google could now be sentenced to pay a penalty if it refuses to implement the regulation. Other countries, e.g. France, have already imposed fines upon Google.

Contact the Author: Dr. Christian Schröder (cschroeder@orrick.com).

 

4. Regierungsentwurf zur Steuerfreiheit für INVEST-Zuschuss auf den Weg gebracht

In unserem Newsletter 2/2014 berichteten wir über den neuen INVEST-Zuschuss der öffentlichen Hand für Investoren, die sich an Start-ups beteiligen. Investoren erhalten 20% ihrer Anschaffungskosten für die erworbene Beteiligung (bei Gründung oder später), maximal bis zu € 50.000 vom Staat, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Bislang ist dieser Zuschuss für die Investoren grundsätzlich eine steuerpflichtige Betriebseinnahme.

Um die ungeschmälerte Zuschusswirkung zu erhalten, war daher bereits bei Einführung des INVEST-Zuschusses beabsichtigt, den Zuschuss beim Empfänger von deutschen Ertragsteuern, insbesondere von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zu befreien.

Die deutsche Bundesregierung hat nun Wort gehalten und am 24. September 2014 durch Kabinettsbeschluss einen Regierungsentwurf zur Steuerbefreiung des INVEST-Zuschusses auf den Weg gebracht. Mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist möglicherweise bis zum ersten Quartal des Jahres 2015 zu rechnen. 

Die Steuerfreiheit soll jedoch rückwirkend für das Jahr 2013 und damit für die gesamte Zeit gelten, seit dem der INVEST-Zuschuss vergeben wird. Die Steuerbefreiung kann nachträglich geltend gemacht werden.

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung sollen den (derzeitigen) Voraussetzungen für die Bewilligung des INVEST-Zuschusses selbst entsprechen.   

Kontaktieren Sie den Autor: Dr. Stefan Schultes-Schnitzlein ([email protected]).

 

4. German Government Proposes Tax Exemption for Public INVEST Grant to Start-up Investors

In our newsletter 2/2014 we reported about the new public "INVEST" grant to investors which acquire participations in start-up companies. Under such program, investors may receive 20% of their acquisition costs of an acquired participation (upon foundation or later) from the state, capped at € 50,000, if they comply with certain requirements. So far, such grant has regularly been treated as a taxable proceed.    

To maintain the full effect of the subsidy, therefore, it had already been intended upon introducing the INVEST grant to exempt it from income tax.

The German government has now kept word and on 24 September resolved upon a draft bill to enact said tax exemption of the INVEST grant. The law may potentially enter into force as early as in the first quarter of 2015.

The tax exemption, however, shall apply retroactively to the years from 2013 and, by such, to the whole period in which the INVEST grant has been granted. Taxpayers will be able to assert the tax exemption even if they have already filed tax returns for 2013.

Requirements for the tax exemption shall equal those in force (at present) for the approval of the INVEST grant. 

Contact the Author: Dr. Stefan Schultes-Schnitzlein ([email protected]).

 

 

Aktuelle Entscheidungen / Recent Case Law

5. Sind dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten?

BGH, Beschluss v. 28. Oktober 2014, Az. VI R 135/13

Ob dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten darstellen und damit dem Datenschutzrecht unterfallen, ist seit langem umstritten und soll nun vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklärt werden.

Die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden haben bisher fast einhellig die Auffassung vertreten, dass dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten sind, die Gerichte sind unterschiedlicher Auffassung. Die Frage hat u.a. für das E-Marketing (z.B. Verwendung von IP-Adressen sammelnden Cookies) große Bedeutung. Die nun zu treffende Entscheidung des EuGH wird aber über diesen konkreten Fall hinaus von weitreichender Bedeutung haben, da auch anderen Daten wie z.B. verschlüsselte Daten, möglicherweise zukünftig nicht mehr personenbezogene Daten sein könnten. Der BGH hat zur Klärung der Frage nun den EuGH angerufen. Dieser ist zuständig, da der Begriff des personenbezogenen Datums in der europäischen Datenschutzrichtlinie 95/46/EG definiert wird. Der EuGH wird nun über die Frage entscheiden müssen, ob es sich bei IP-Adressen, die in Händen eines Unternehmens sind, welches keinen Hinweis auf die der Adresse zugeordnete natürliche Person hat, um personenbezogene Daten i.S.d. EG-Datenschutz-Richtlinie handelt. In diesem für Internetseitenanbieter typischen Fall haben lediglich Dritte, wie z.B. der Internetprovider, die Möglichkeit, die betroffenen Personen zu identifizieren. Um auch für den Internetseitenanbieter die Personenbeziehbarkeit der IP Adresse anzunehmen, rechnen die Datenschutzaufsichtsbehörden dem Internetseitenanbieter das Wissen dieser Dritten zu. Ob diese Zurechnung zulässig oder viele zu weitgehend ist, ist streitig und soll nun vom EuGH entschieden werden.

Kontaktieren Sie den Autor: Dr. Christian Schröder ([email protected]).

 

5.  Are Dynamic IP-Addresses Personal Data?

German Federal Court of Justice, Order dated October 28, 2014, File no. VI ZR 135/13

The Federal Court of Justice has asked the European Court of Justice (ECJ) to decide on the question of whether or not dynamic IP addresses are personal data within the meaning of the EC Data Protection Directive 95/46/EC. The expected decision will likely not only solve a longstanding legal dispute in Germany but may have a much wider impact on the general understanding of personal data.

In Germany, the German data protection supervisory authorities and the courts argued on whether or not dynamic IP addresses are personal data when being in the hand of website operators which, in general, do not have own information to link such address to the (possibly) natural person behind. While as the German data protection supervisory authorities generally argued in favor of the IP address being personal data, many German courts did not. They argued that the additional information to link the IP address to the natural person behind often only resides only with the internet access or telecommunication provider. Such knowledge of such a third person would not have to be considered as being reachable for the website operator who merely has the IP address. Accordingly, the website operation could not link the IP address to the natural person behind with its own (available) means and the IP address (when being in his hands), would not be personal data.

The ECJ has now to decide which third party information is so "available" to a website operator that such information has to be taken into consideration when assessing the question of whether or not the dynamic IP address is personal data for a website operator. The expected decision will not only have a significant impact on website analysis but it may also provide for a general better understanding on the term personal data. For example, it may also help to understand if encrypted data is personal data for the entity which has the encrypted data but not the key to decrypt the data.

Contact the Author: Dr. Christian Schröder (cschroeder@orrick.com).

 

6. Einsatz von verbotenen Schneeballsystemen zur Kundengewinnung

Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 3. April 2014, Az. C-515/12

Zur Kundengewinnung greift auch manches Start-up zu innovativen Methoden, die jedoch vorab auf ihre rechtliche Zulässigkeit überprüft werden sollten. Das litauische Start-up 4finance hatte seinen Kunden für jeden neu geworbenen Kunden eine Prämie von ca. € 6 ausgelobt. Allerdings musste jeder Neukunde bei seiner Anmeldung einen Mikrobetrag von weniger als € 0,01 durch Überweisung an 4finance zahlen, um seine Identifizierung zu ermöglichen. Diese Art der Identifizierung durch Mikrozahlung findet sich in manchen online Geschäftsmodellen.

Der EuGH hat darin jedoch ein verbotenes Schneeballsystem und damit eine unzulässige unlautere Wettbewerbspraxis gesehen. Dabei legt der EuGH strenge Maßstäbe an und lässt selbst eine wirtschaftlich unbedeutende Mikrozahlung bereits genügen, wenn nur dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, durch Gewinnung neuer Kunden die ausgelobte Prämie zu erhalten.

Kontaktieren Sie den Autor: Dr. Albrecht von Breitenbuch ([email protected]).

 

6. Using illegal Ponzi schemes to acquire new customers

European Court of Justice (ECJ), Decision dated April 3, 2014, File no. C-515/12

Many start-ups come up with innovative methods to acquire new customers which however should be reviewed carefully whether they comply with the Law. The Lithuanian start-up 4finance promised its own customers to pay them a premium of about € 6 for each new customer. However, as part of the registration process each new customer had to pay a small amount of less than € 0.01 to 4finance to pass the identification process ("know your customer"). This method of using micro payments for identification is part of several online business models.

However the European Court of Justice came to the conclusion that this method forms an illegal so-called Ponzi scheme and thus a practice of unlawful competition. The ECJ applies strict criteria under which even an economically irrelevant micro payment is sufficient if only by making such payment the customer will be able to enter the system to receive the promised premium for the acquisition of new customers.

Contact the Author: Dr. Albrecht von Breitenbuch ([email protected])